Talentmanagement

Unter Talentmanagement versteht man die Gesamtheit der personalpolitischen Maßnahmen in einer Organisation, die sicherstellen sollen, dass wichtige Rollen und Funktionen langfristig besetzt werden.

Talentmanagement ist ein Teilbereich des Personalmanagements, der sich an Zielgruppen richtet, die für den Erfolg des Unternehmens wichtig sind und für die auch ein vergleichsweise hoher Personalbedarf im Unternehmen besteht. Dementsprechend ist die Priorisierung der Zielgruppen meist der erste Schritt bei der Entwicklung eines Talentmanagementsystems. Talentmanagement gewinnt auch als Attraktivitätsfaktor für Arbeitgeber im Sinne des Employer Branding an Bedeutung.

Ursprung

Talentmanagement kann als Reaktion auf die sich verändernden Bedingungen auf den globalen Märkten verstanden werden, die zu einem zunehmenden Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter beitragen:

– Der demografische Wandel führt zunehmend zu einem Mangel an Fach- und Führungskräften, vor allem in den westlichen Industrieländern.
– Der Wandel zur Wissensgesellschaft schafft einen erhöhten Bedarf an qualifizierten und kreativen Mitarbeitern
– Innovation und Innovationsfähigkeit haben sich in den westlichen Industrieländern zu einem entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit entwickelt. Damit einher geht ein besonderer Bedarf an innovativen Mitarbeitern
– Es gibt einen allgemeinen Trend, dass qualifizierte Arbeitnehmer/innen die Loyalität zu ihrem Arbeitgeber verlieren
– Das Internet hat die Transparenz der Arbeitsmärkte drastisch erhöht, was den Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter verschärft hat
– Einerseits führt die Globalisierung zu einem höheren Angebot an hochqualifizierten Arbeitnehmern, andererseits besteht auch die Gefahr der Talentabwanderung.

Diesem Wettbewerb wurde wortwörtlich der Titel des Buches „The War for Talent“ von Ed Michaels, Helen Handfield-Jones und Beth Axelrod gegeben, in dem die ersten Ansätze zum Talentmanagement skizziert werden.

Grundprinzipien

Das Talentmanagement zeichnet sich durch eine Reihe von Grundprinzipien aus, die sich auf unterschiedliche Weise in den praktischen Ansätzen des Talentmanagements widerspiegeln.

– Der Mangel an qualifiziertem Personal auf den Arbeitsmärkten zwingt Unternehmen dazu, aktiv Mitarbeiter/innen zu rekrutieren. Hier kommen Ansätze aus dem Marketing (insbesondere Branding) und dem Vertrieb ins Spiel. Herkömmliche, eher passive Maßnahmen der Mitarbeiterrekrutierung versagen zunehmend bei der Gewinnung seltener, qualifizierter Mitarbeiter.
– Unternehmen haben zwei Möglichkeiten, auf den Mangel zu reagieren: Durch aktive, wettbewerbsfähige Methoden der Personalbeschaffung und -bindung externes Personal für kritische Rollen und Funktionen zu finden, zu halten und zu gewinnen. Oder die systematische Entwicklung langfristiger Talente, um den langfristigen Bedarf intern decken zu können.
– In diesem Sinne ist das Talentmanagement wettbewerbsorientiert, aktiv, manchmal aggressiv und stellt das Talent in den Mittelpunkt der Aktivitäten. In dieser Hinsicht ist das Talentmanagement vergleichbar mit unternehmerischen Bemühungen, die den Kunden in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellen.
– Der Begriff Talent wird im Zusammenhang mit Talentmanagement uneinheitlich verwendet. Einerseits wird Talent in seiner traditionellen Definition von Begabung und Potenzial verwendet, aber auch im Sinne von Menschen mit Talent.
– Talentmanagement konzentriert sich auf kritische Zielgruppen und damit auf eher kleine Gruppen von (potenziellen) Arbeitnehmern und Führungskräften. Daher ist Talentmanagement eher ein elitärer Ansatz.

Disziplinen und Maßnahmen

Talentmanagement umfasst eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen und stellt in dieser Hinsicht eine kompositorische personalpolitische Leistung dar. Grundsätzlich kann zwischen internen und externen Maßnahmen unterschieden werden, die den Aufgaben Rekrutierung, Identifizierung, Entwicklung und Einsatz zugeordnet werden können, wobei die ersten beiden Aufgaben eher extern, die letzten beiden eher intern ausgerichtet sind.

Gewinnung

Das übergeordnete Ziel der Rekrutierung ist es, langfristige, enge, persönliche Beziehungen zu vielversprechenden, talentierten Bewerbern und Mitarbeitern aufzubauen und zu pflegen. Die Entwicklung einer zielgruppenorientierten Arbeitgebermarke, das Bewerbererlebnis, das Talent Relationship Management und die Mitarbeiterbindung spielen dabei eine wichtige Rolle.

ID

Die Kernaufgabe des Talentmanagements besteht darin, intern und extern talentierte Menschen (Bewerber/innen, Mitarbeiter/innen) zu identifizieren, die langfristig vielversprechend für das Unternehmen sind. Extern geschieht dies durch aktive Personalmarketingmaßnahmen (Active Sourcing) und vor allem durch die Nutzung natürlicher sozialer Netzwerke mittels Mitarbeiterempfehlungsprogrammen. Intern werden talentierte Mitarbeiter/innen in der Regel im Rahmen von speziellen, so genannten Talent Review Meetings identifiziert, in denen die Mitarbeiter/innen von den Führungskräften hinsichtlich ihrer Leistung und ihres Zukunftspotenzials bewertet werden. Mitarbeiter/innen, die ein hohes Leistungsniveau aufweisen und denen auch ein hohes Potenzial zugeschrieben wird, werden in der Regel als High Potentials bezeichnet.

Entwicklung

Entwicklung ist in erster Linie eine interne Aufgabe des Talentmanagements, bei der High Potentials spezifische Entwicklungsmaßnahmen erfahren. Ein zentrales Instrument ist dabei die systematische Zuweisung von besonders herausfordernden Aufgaben (Stretch Role), Entsendungen ins Ausland, aber auch das Angebot spezieller Weiterbildungsmaßnahmen, wie z.B. die Möglichkeit, neben der Berufstätigkeit einen Masterabschluss zu machen. Darüber hinaus erhalten High Potentials oft eine professionelle Karriereberatung. Im Rahmen regelmäßiger Beurteilungsgespräche erhalten High Potentials ein kontinuierliches Feedback zu ihren Leistungen, was zu ihrer Lernentwicklung beiträgt. Aber auch externe Maßnahmen für Personen, die derzeit nicht im jeweiligen Unternehmen beschäftigt sind, sind denkbar, wie z.B. die Vergabe von Stipendien.

Aufgabe

Die oben beschriebenen Aufgaben führen schließlich zu der Talentmanagement-Aufgabe, High Potentials und vielversprechende (externe) Kandidaten systematisch einzusetzen. Dies geschieht mit dem letztendlichen Ziel, kritische Rollen und Funktionen bestmöglich zu erfüllen. Interne Talentmärkte (Talentpools) und Methoden der Nachfolgeplanung spielen dabei eine zentrale Rolle.

Rahmenbedingungen für das Talentmanagement

Ein funktionierendes Talentmanagement erfordert eine Reihe von wichtigen Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen gezielt beeinflussen kann. Dieser Gestaltungsrahmen ist für das Verständnis eines Talentmanagementsystems von erheblicher Bedeutung. Dieser Gestaltungsrahmen umfasst die Faktoren Führung, Organisation, Controlling, Technologie, Kultur und Integration in das Personalmanagement.

Führung

Führungskräfte sind die wichtigsten Akteure im Talentmanagement. Sie sind im Wesentlichen für die erfolgreiche Umsetzung der oben skizzierten Disziplinen verantwortlich. Ausgangspunkt ist dabei das sichtbare Bekenntnis der obersten Führungsebene zur Bedeutung des Talentmanagements für den Unternehmenserfolg.

Organisation

Ein funktionierendes Talentmanagementsystem erfordert klare Verantwortlichkeiten. Während die Führungskräfte die wichtigsten Akteure sind, die für die Umsetzung verantwortlich sind, spielt die Personalabteilung eine besonders koordinierende Rolle. Eine große Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass die Führungskräfte über die notwendigen Fähigkeiten verfügen.

Controlling

Talentmanagement erfordert die Erfassung relevanter Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs). Typische Indikatoren sind:

– Die Anzahl der identifizierten High Potentials pro Organisationseinheit
– Der Anteil der internen Personalbesetzung in kritischen Rollen und Funktionen
– Die Leistung, Zufriedenheit und Loyalität der identifizierten High Potentials
– Bekanntheit und Beliebtheit des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt (insbesondere bei den kritischen Zielgruppen)
– Geschwindigkeit bei der Besetzung kritischer Rollen und Funktionen (time-to-fill)

Technologie

Unternehmen setzen zunehmend geeignete Informationstechnologie ein, um das Talentmanagement umzusetzen. Technologie unterstützt insbesondere die Rekrutierung, den Einsatz und die Ermittlung von KPIs.

Kultur

Talentmanagement erfordert eine entsprechende Unternehmenskultur, die das Talent in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellt. Talentmanagement wird nicht als Aufgabe der Personalabteilung gesehen, sondern als zentraler Faktor im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit anerkannt. Dieses Wertesystem wird von allen Akteuren gelebt.

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