Arbeitsbewertung

Die Stellenbewertung als Teil des Arbeits- oder Tarifrechts beschreibt den Prozess zur Bestimmung des Arbeitswertes einer Tätigkeit als primären Parameter für die Lohndifferenzierung und die Karrierestufen.

Ziel der Arbeitsbewertung ist es, verschiedene Tätigkeiten anhand vergleichbarer Bewertungskriterien so einzustufen, dass auf dieser Grundlage eine annähernde Lohngleichheit hergestellt werden kann. Zu diesem Zweck werden die Tätigkeiten, die von den Stellenbewertern am jeweiligen Arbeitsplatz auszuführen sind, anhand von Arbeitsproben, Leistungsnachweisen oder Interviews erfasst, in einer Stellenbeschreibung dokumentiert und nach bestimmten Arten von Anforderungen bewertet. Das System der Arbeitsbewertung ist ein grundlegender Bestandteil der Lohn- und Gehaltstarifverträge. Eine allgemein anerkannte Grundlage für die Definition der zu bewertenden Arbeitsanforderungen ist nach wie vor das so genannte Genfer Schema, das 1950 auf der Konferenz der „Internationalen Arbeitsorganisation“ in Genf auf Anregung der deutschen Arbeitswissenschaftler Erwin Bramesfeld und Friedrich R. Lorenz entworfen wurde.

In der Praxis haben sich zwei unterschiedliche Verfahrensansätze bewährt, die auch in vielen Tarifverträgen als Alternativen vorgesehen sind: die „summarische Methode“ und die „analytische Methode“ zur Ermittlung des Arbeitswertes.

In Deutschland werden beide Methoden nacheinander im neuen Tarifvertrag zum Entgeltrahmenabkommen (ERA-TV) angewendet.

Abgrenzung zur Stellenbewertung

Während bei der Stellenbewertung im engeren Sinne eher einzelne Tätigkeiten und Prozesse untersucht werden (Methoden-Zeit-Messung) oder das Grundgehalt über Kennzahlen direkt mit der in der Bewertung erreichten Punktzahl verknüpft wird, werden bei einer Stellenbewertung die Stelle und ihr Anforderungsprofil als strukturelles Element der Stelle betrachtet Organisationseinheit bei 100% Leistung betrachtet.

Ansätze zur Bestimmung des Wertes der Arbeit

 

Zusammenfassende Stellenbewertung (Summarik)

Es wird unterschieden zwischen Lohngruppenverfahren (auch Katalogverfahren) und Rangfolgeverfahren.

Beim Ranking-Verfahren werden alle Arbeitsplätze in einem Untersuchungsgebiet anhand von Paarvergleichen nach ihrer Arbeitsschwierigkeit eingestuft. Dies geschieht regelmäßig bei der Erstellung von Tarifverträgen für die jeweilige Branche, wo das Ranking als Grundlage für die Festlegung der Lohngruppen verwendet wird.

Die Lohngruppenmethode als zusammenfassende Einstufung ist die in der Praxis am häufigsten verwendete Methode der Arbeitsbewertung. Anhand von standardisierten Stellenbeschreibungen und Stufenbeispielen (früher Standardbeispiele) werden die Tätigkeiten direkt den Lohngruppen (früher Lohn- oder Gehaltsgruppen) zugeordnet.

Analytische Stellenbewertung (Analytik)

Ein analytisches Verfahren muss Antworten auf Fragen liefern

– einen Katalog von Merkmalen,
– ihre Gewichtung,
– Zuordnung und
– Klassifizierungsregel

Das „Genfer Schema“ steht in der Regel Pate für die Definition der Anforderungsmerkmale, obwohl die einzelnen Tarifverträge sehr unterschiedliche Kataloge haben.

Bei der Gewichtung wird zwischen gebunden und offen unterschieden. Gebunden ist sie, wenn sich die Gewichtung bereits in der maximalen Punktzahl widerspiegelt, die für die Anforderung vergeben wird. Bei einer offenen Gewichtung sind die Maßstäbe für die Anforderungsmerkmale dieselben, die Gewichtung wird später in Form eines Faktors hinzugefügt.

Bei der Klassifizierung wird zwischen der Rangordnungsmethode und der Stufenwertmethode unterschieden.

Bei der Rangliste werden alle betrachteten Jobs für jede der Anforderungsarten in eine Rangfolge gebracht. Bei der gebundenen Bewertung ergibt sich aus der Rangfolge ein Punktwert. Bei der offenen Bewertung muss die Rangfolge zunächst in einen Prozentsatz umgewandelt werden. Seine Multiplikation mit der Gewichtung ergibt den individuellen Wert des Anforderungsmerkmals. Offene und gebundene Verfahren führen durch Aufsummieren der Einzelwerte zum Arbeitswert der Stelle.

Bei der abgestuften Zahlenmethode werden für die einzelnen Anforderungsarten Bewertungsstufen festgelegt, die jeweils unterschiedliche Anforderungs- oder Belastungsniveaus ausdrücken. Die Zahlenfolgen steigen oft arithmetisch an, aber es gibt auch progressive Folgen. Hier wird die gebundene Gewichtung in der maximalen Punktzahl ausgedrückt, die für eine Anforderungsart vergeben werden kann. Im offenen Bereich haben alle Merkmale die gleiche Punktzahl. Die Gewichtung erfolgt über den Gewichtungsfaktor, der für jede Anforderungsart separat festgelegt wird.

Die Grundgebühr lässt sich idealerweise aus einem Euro pro Punkt ermitteln. Um die Spanne zu verringern, wird jedoch in der Regel eine Basis festgelegt, zu der dann ein Betrag pro Punkt addiert wird. Zum Beispiel eine Basis von 7,5 € pro Stunde und 0,25 € pro Punkt pro Stunde. Bei 20 Punkten ergibt das eine Gebühr von 12,50 € pro Stunde.

Analytische Arbeitsbewertungsmethoden haben eine hohe Bewertungsgenauigkeit, sind aber auch sehr komplex in der Anwendung. In der Praxis wird daher in der Regel die Lohngruppenmethode bevorzugt.

In Deutschland ist jedoch in den neuen ERA-Tarifverträgen ein mehrstufiges Arbeitsbewertungsverfahren festgelegt, das mit einem Stufenwertzahlverfahren beginnt. Die so gefundenen Punkte werden in einem Vergleich mit den neuen so genannten Stufenbeispielen (früher: Referenzbeispielen) gesichert und dann auf eine Lohngruppe übertragen.

Es ist wichtig zu beachten, dass es bei der Analyse immer noch nur um die Ermittlung des Grundentgelts geht. Die Anforderungen des Arbeitsplatzes werden bewertet.

Ein Grundentgelt kann um ein individuelles Leistungsentgelt erhöht werden, das von der individuellen Leistung des einzelnen Beschäftigten abhängt.

Auch bei ERA-TV wurden Lasten konsequent aus der Liste der Anforderungen gestrichen. Wenn es außergewöhnliche Belastungen gibt, werden sie gesondert bewertet und ebenfalls auf das Grundentgelt aufgeschlagen. Je nach Intensität der Belastung werden vier Stufen verwendet: geringe Reize, Lärm, Umwelteinflüsse und Belastung der Muskulatur.

Europäischer Kontext

 

Ziel einer nicht-diskriminierenden Arbeitsbewertung

Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit ist in Artikel 141 des Amsterdamer Vertrags sowie in den Richtlinien 75/117/EWG („Richtlinie über gleiches Entgelt“) und 97/80/EG („Beweislastrichtlinie“) festgelegt und durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bestätigt (Die genannten Richtlinien wurden am 15. August 2008 durch die Richtlinie 2006/54/EG ersetzt). Bei der Festlegung der Vergütung ist es daher entscheidend, dass die Arbeitsplatzbewertung eine gleichwertige Bewertung von gleichwertiger Arbeit gewährleistet. Es wurde kritisiert, dass Tätigkeiten, die traditionell überwiegend von Frauen ausgeübt werden, weniger wertgeschätzt und geringer bezahlt werden als Tätigkeiten, die traditionell überwiegend von Männern ausgeübt werden.

Vor allem die summarische Arbeitsbewertung wurde kritisiert, weil sie zu indirekter Diskriminierung führen kann, aber auch die analytische Arbeitsbewertung kann zu Diskriminierung führen. So wird zum Beispiel kritisiert, dass die in Dienstleistungsberufen erforderliche emotionale Arbeit und Interaktionsarbeit nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Gender-Mainstreaming-Aspekte bei der Stellenbewertung

Unter dem Gesichtspunkt des Gender Mainstreaming wird an der Arbeitsbewertung kritisiert, dass Anforderungen, die als männlich und weiblich wahrgenommen werden, weitgehend getrennt betrachtet werden. So werden zum Beispiel in Berufen und Tätigkeiten, die als überwiegend „weiblich“ eingestuft werden, die „männlich“ konnotierten Anforderungen nur zu einem geringen Teil in die Arbeitsbewertung einbezogen und umgekehrt werden in Berufen und Tätigkeiten, die als überwiegend „männlich“ eingestuft werden, die „weiblich“ konnotierten Anforderungen nur zu einem geringen Teil in die Arbeitsbewertung eingehen. So werden zum Beispiel die Anforderungen an die körperliche Belastbarkeit in Pflegeberufen systematisch ignoriert, ebenso wie die Anforderungen an die sozialen Fähigkeiten in technischen Berufen. 1999 wurde außerdem kritisiert, dass die Verweigerung des Merkmals „Verantwortung“ im Tarifvertrag zu einer niedrigen Einstufung der Arbeit von Erzieher/innen führt.

Ähnliche Kritik wurde auch an der Bewertung der Arbeitsbelastung geäußert. Aufgrund der „Equal-Pay-Richtlinie“ 75/117/EWG ist es z.B. nicht zulässig, wenn die Arbeit eines Hausmeisters und die einer Altenpflegerin in einem Pflegeheim durch körperliche Belastung gekennzeichnet ist, diese Belastung aber nur bei der Bewertung der Arbeit des Hausmeisters bewertet wird. Eine Belastungsanalyse wird nicht nur zur Ermittlung des Entgelts, sondern auch zur Verbesserung der Arbeitsgestaltung eingesetzt.

Arbeitsbewertung in Deutschland

Für den Bundesangestelltentarif (BAT) wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass Arbeitsplätze, die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden, schlechter bewertet werden als solche, die hauptsächlich von Männern ausgeübt werden.

Bei der Umsetzung der Arbeitsbewertung wurde festgestellt, dass aufgrund der Unterschiede in Tarifverträgen oder Teilen von Tarifverträgen Arbeitertätigkeiten oft nach anderen Kriterien oder Verfahren bewertet wurden als Angestelltentätigkeiten. Die Trennung von Arbeitern und Angestellten wurde in Deutschland in den letzten Jahren jedoch weitgehend aufgehoben, zum Beispiel im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und im Entgeltrahmentarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie, ERA-TV. Auch die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind weitgehend verschwunden.

Laut einem 2002 veröffentlichten Leitfaden basieren jedoch nicht alle Tarifverträge auf einer zusammenfassenden oder analytischen Stellenbewertung des jeweiligen Berufsbildes auf der Grundlage objektiver Kriterien.

Einstufungskriterien sind besonders wichtig für eine diskriminierungsfreie Vergütungsstruktur. In den Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften haben die Arbeitgeber eine Einstufung vorgeschlagen, die auf drei so genannten besonderen Merkmalen beruht: Schwierigkeit, Verantwortung und Wichtigkeit. Die Gewerkschaften fordern, dass weitere Kriterien als Grundlage für die Entgeltordnung hervorgehoben werden, um den wesentlichen Anforderungen in sozialen Berufen und in Berufen in den Bereichen Jugendhilfe und Schule Rechnung zu tragen: zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten, Komplexität der Tätigkeit, Verantwortung, soziale Kompetenz, Planung und Organisation, physische und psychische Anforderungen und Belastung.

Im ERA-TV wird die Bewertung der Belastungen getrennt von der Bewertung der Anforderungen in die Berechnung des Entgelts einbezogen. Das Entgelt gliedert sich in ein Grundentgelt (nach Arbeitsanforderungen), ein Belastungsentgelt und ein Leistungsentgelt, wobei nur Arbeitsbelastungen, die über ein mittleres Arbeitspensum hinausgehen, mit der Belastungszulage abgegolten werden. Bei der Anwendung soll eine mittelbare Diskriminierung verhindert werden, indem Belastungsarten, die für männliche und weibliche Arbeitsplätze typisch sind, gleich gewichtet werden.

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